Um genau zu sein, sind es 29,8 Millionen Schweizer Franken, mit denen wir seit der Gründung unserer Stiftung vor 23 Jahren besonders begabte junge Menschen in der Schweiz unterstützen konnten. Das ist ein stolzer Betrag, und dennoch – dessen bin ich mir bewusst – nur ein Tropfen auf den heissen Stein in der so wichtigen Begabtenförderung. Wenn es um die Förderung der Schwächeren in der Aus- und Weiterbildung geht, sind wir hierzulande – völlig zurecht, wie ich meine – grosszügig. Es wird viel unternommen, damit junge Menschen mit Lernschwächen oder anderen Handicaps nicht durch die Maschen fallen. Sonderschulung, Einzelunterricht, Nachhilfe sind in diesem Zusammenhang nur einige Stichworte. Der Erfolg all dieser Massnahmen lässt sich, trotz mancher Rückschläge, sehen.
Wie aber steht es um die Förderung von besonders begabten jungen Menschen? Auch hier haben die Schulen in den letzten Jahren wichtige Angebote geschaffen und ausgebaut. Sportlich talentierte Kinder und Jugendliche werden in besonderen Sportklassen zusammengefasst und dort gezielt gefördert. Auch junge Begabte im musischen Bereich finden in vielen Kantonen Angebote, die sie auf ihrem anspruchsvollen Weg weiterbringen.
Doch machen wir uns nichts vor: Dieses Netz für begabte junge Menschen ist noch immer löchrig. Wir sehen das an den vielen Anfragen, die unsere Stiftung jede Woche erreichen. Da geht es bei den Jüngeren um den Übertritt in private Talentschulen, die ein überzeugendes Angebot haben, gleichzeitig aber hohe Schulgelder verlangen müssen. Bei den Jugendlichen und jungen Erwachsenen steht oft die Weiterbildung im Ausland im Zentrum, die aus privaten Mitteln ebenfalls nur schwer zu finanzieren ist.
In vielen solcher und ähnlicher Fälle konnte und kann unsere Stiftung helfen. So gesehen sind die 30 Millionen, die wir dafür bisher eingesetzt haben, ein grosser und wichtiger Beitrag, der insgesamt mehr als 2 500 jungen Menschen zugutegekommen ist. Denken wir allerdings an die Milliarden, die jedes Jahr in der Schweiz in unser Bildungswesen investiert werden, sind die 30 Millionen dann doch relativ wenig. Wir wissen das. Und so fällt es uns auch nach vielen Jahren unserer Stiftungstätigkeit noch immer nicht leicht, angesichts unserer beschränkten Mittel auch sehr gut begründete Gesuche ablehnen zu müssen.
Andererseits motiviert uns diese Ausgangslage auch, die Auswahl jener besonders begabten Menschen, die wir über eine kürzere oder längere Strecke begleiten dürfen, sehr gründlich und nach klar definierten Kriterien vorzunehmen. Entscheidend dabei ist, dass alle Gesuchstellerinnen und Gesuchsteller , deren Gesuche dem Stiftungsrat vorgelegt werden können, zu einem persönlichen Gespräch eingeladen werden – häufig begleitet von ihren Eltern oder anderen wichtigen Bezugspersonen. Aus diesen Begegnungen erhält unsere Geschäftsstelle wichtige Hinweise, ob und in welchem Umfang ein Gesuch gerechtfertigt ist.
Auch wenn dieses sorgfältige und zeitintensive Auswahlprozedere allein noch keine Erfolgsgarantie darstellt, so zeigt doch die Erfolgskontrolle, die unsere Geschäftsstelle in jedem einzelnen Fall durchführt, dass unsere Beiträge in den allermeisten Fällen wichtige Ausbildungsschritte möglich machen. Vor diesem Hintergrund darf ich feststellen, dass die 30 Millionen Franken sicher gut investiertes Geld waren. Und erfreulicherweise verfügt unsere Stiftung auch weiterhin über genügend Mittel, um ihre Arbeit im bisherigen Rahmen noch viele Jahre weiterführen zu können.
Noch habe ich in diesem Editorial kein Wort über die Auswirkungen der nun schon über zwei Jahre andauernden Coronavirus-Pandemie auf die Begabtenförderung im Allgemeinen und auf unsere Arbeit im Besonderen verloren … Aber ganz ohne das Thema Covid-19 geht es auch an dieser Stelle nicht. Die Auswirkungen der Pandemie sind für begabte junge Menschen besonders anspruchsvoll. Viele Grenzen sind geschlossen. Aus- und Weiterbildungen können oft nicht mehr vor Ort, sondern nur noch virtuell stattfinden. Und einige Pläne erweisen sich unter Pandemieumständen als kaum umsetzbar. Wir versuchen, in solchen Situationen den jungen Menschen, die sich uns anvertrauen, möglichst unbürokratisch und flexibel zu helfen. Und das gelingt auch oft.
Die Begabtenförderung in der Schweiz ist insgesamt von der Pandemie stark betroffen, fehlen doch angesichts der Milliardenausgaben im Kampf gegen Covid-19 vielfach schlicht die Mittel, um begabte junge Menschen im notwendigen Ausmass zu unterstützen. Das wiederum führt dazu, dass Angebote privater Träger wie dasjenige unserer Stiftung im Moment besonders gefragt sind. Und so sind wir dankbar, unseren Stiftungszweck auch in den kommenden Jahren erfüllen zu können. Auf die nächsten 30 Millionen!
Urs Lauffer